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Regard franco-suisse : Neuenburg, von der Uhrmachertradition zur innovativen und diversifizierten Wirtschaft
Die Geschichte des Kantons Neuenburg und insbesondere die seiner Wirtschaft ist fest mit der Uhrenindustrie verbunden. Diese Besonderheit hat ihre Wurzeln im Jurabogen und begann mit den Bauern und Uhrmachern in den Bergen von Neuenburg, die im Winter ihr Einkommen durch die Reparatur und später auch die Herstellung von Uhren aufbesserten. Seit 300 Jahren wird das Fachwissen der Uhrenindustrie gepflegt, weiterentwickelt und übermittelt. Historische Fabriken, Zulieferbetriebe und Hersteller von Präzisionsuhren machen Neuenburg zu einer Referenz in der Uhrmacherkunst. Die Geschichte der Uhrenindustrie in Neuenburg macht jedoch auch deutlich, wie wichtig es ist, das Spektrum erweitern zu können. Nach der Krise der 1970er Jahre nutzte der Kanton sein Know-how im Hochpräzisionsbereich. Ihre damals eingesetzten Kenntnisse und ihre Vorlieben für Nanotechnologie, Präzision, Zuverlässigkeit und geringen Energieverbrauch prägen noch heute den Ruf der Neuenburger Industrie.
Heutzutage ist die Neuenburger Wirtschaftspolitik auf die Förderung von Innovation und deren Verbreitung innerhalb und ausserhalb des Kantons ausgerichtet. Die Kompetenzen reichen allein nicht aus, sie müssen verbessert und weiterentwickelt werden und brauchen dazu die nötigen Bedingungen und ein günstiges Umfeld. Für dies kann sich der Kanton auf einen besonders dynamischen Innovationsstandort stützen, zu dem das CSEM, die Universität Neuenburg, die Hochschule ARC und die EPFL gehören und der die Entwicklung der Technologien von morgen fördert. Die hohen Qualitäts- und Präzisionsanforderungen der Uhrenindustrie kommen so auch in anderen Spitzenbranchen in Einsatz, die zur Diversifizierung unserer Wirtschaft beigetragen haben, wie Medizintechnik, Pharmaindustrie, Automatisierung oder Luft- und Raumfahrt.
Ohne unsere französischen Nachbarn wäre die heutige wirtschaftliche Dynamik des Kantons nicht denkbar. Der grenzüberschreitende Jurabogen ist ein reichhaltiges Produktionsgebiet, das Kompetenzen und menschliche Beziehungen fördert. So wird es möglich, die spezifische Tradition dieser Region zu bewahren und ihre Qualität zu erhalten. Über die Produktion hinaus wird beiderseits der Grenze das Anliegen geteilt, das traditionelle Know-how weiterzugeben und ein hohes Mass an Fachkompetenz aufrechtzuerhalten.
Wo einst die Uhrmacherbauern tätig waren, befinden sich heute grosse Namen der Uhren- und Luxusindustrie oder deren Werkstätten. Über das Symbol und die Fortführung einer Tradition hinaus verkörpern diese Unternehmen ein historisches Know-how. Dieses von der UNESCO anerkannte Erbe ist grenzüberschreitend, was sich zum Beispiel anhand des französisch-schweizerischen Projekts Arc Horloger feststellen lässt. Dieses Projekt wurde 2020 ins Leben gerufen und wird von dem Programm «Interreg» unterstützt. Es versammelt sämtliche Akteure der Uhrenindustrie und Kunstmechanik des Jurabogens und setzt sich für die Erhaltung dieses Erbes ein. So wird dafür gesorgt, dass Wissen und Praxis weitergegeben werden und dieses ganz besondere handwerkliche Können zur Geltung gebracht wird. Mit seinen verschiedenen Projekten will Arc Horloger die Exzellenz der Uhrenindustrie unserer Regionen erhalten und pflegen und unserer gemeinsamen Vergangenheit eine Zukunft sichern. Dies ist heute umso wichtiger, denn eine Wirtschaft, die so sehr von dem Export abhängt, ist besonders anfällig für Konjunkturschwankungen, wie die jüngsten Ereignisse erneut zeigen.
Florence Nater,
Staatsrätin des Kantons Neuenburg